Auf insgesamt 85 Seiten (Vorgängerversion 32 Seiten) wird das Thema "Entsorgung asbesthaltiger Abfälle" thematisiert und neu konzipiert. Im Rahmen dieses Fachartikels werden wir nicht auf sämtliche Änderungen und Inhalte eingehen können, dafür ist der Umfang schlichtweg zu groß. Aber: Wir freuen uns, Ihnen eine kompakte Zusammenfassung der entscheidenden Kapitel zur Verfügung zu stellen.
Hier können Sie die aktuelle Version der LAGA M 23 downloaden.
Hintergrund, Rechtlicher Rahmen & Struktur der neuen LAGA M 23
Hintergrund der Überarbeitung
Die alte Version der LAGA-Mitteilung 23 (Ausgabestand Juni 2015) enthielt "nur" Vollzugshinweise für asbesthaltige Abfälle, die aus der Demontage von Bauteilen wie Spritzasbest, Asbestfaserzementerzeugnissen und asbesthaltigen Bauelementen stammen. Darüber hinaus liegen heute neue Erkenntnisse darüber vor, dass in der Vergangenheit eine Vielzahl asbesthaltiger Baustoffe (z. B. Spachtelmassen, Farbanstriche und Abstandshalter für Betonbewehrungen) verwendet wurden, deren mögliche Asbestbelastung nicht durch bloße Inaugenscheinnahme zu ermitteln ist. Bei Baumaßnahmen können somit gering asbesthaltige Bau- und Abbruchabfälle anfallen, die erkannt und grundsätzlich aus dem Stoffkreislauf ausgeschleust werden müssen.
Insbesondere die große Thematik der gering belasteten Bau- und Abbruchabfälle (Stichwort "PSF" - Putze, Spachtelmassen, Fliesenkleber), welche bereits seit Jahren im Rahmen vieler gesetzlicher Nachjustierungen diskutiert wurde, erforderte auch bzgl. der Abfallverwertung und Recycling eine dringliche Anpassung. Nicht zuletzt auch aufgrund des Ziels, ein Maximum an Bau- und Abbruchabfällen dem Recyclingzyklus als wertvolle Rohstoffe wieder zuzuführen, ist diese neue Version der LAGA M 23 eine gelungene Grundlage mit guten Antworten zur Konzeption, Vorgehen und Einstufung von asbesthaltigen Stoffen.
Rechtlicher Rahmen
Die LAGA M 23 gilt für den Umgang mit asbesthaltigen Abfällen, insbesondere bei Rückbau, Lagerung, Behandlung und Entsorgung, gibt Hinweise zur Beförderung und soll zu einem bundeseinheitlichen Vorgehen nach dem Stand der Technik führen.
Unter 2.1 "Anwendungsbereich" heißt es: "Diese Vollzugshilfe soll insbesondere den Vollzugsbehörden, in Erläuterung der abfallrechtlichen Vorschriften, als Prüfungs- und Entscheidungsgrundlage dienen...".
Bedeutet das, dass dies lediglich eine Hilfestellung für Behörden darstellt?
Die TRGS 519 als Konkretisierung der GefStoffV verweist explizit auf diese Vollzugshilfe. Somit hebt dieser Verweis die LAGA M 23 auf das Niveau einer anerkannten Regel der Technik. Abzuwarten bleibt, ob die Neuauflage der Gefahrstoffverordnung auf die LAGA M 23 direkt/indirekt verweisen wird.
Struktur & Inhaltsverzeichnis LAGA M 23
In der Überarbeitung wurde die Struktur deutlich überarbeitet und erweitert. Die Hauptgliederung der Kapitel gestaltet sich wie folgt (in Klammern: Unsere Kommentierung/Ergänzung):
1. Einleitung
2. Grundlagen (inkl. rechtlicher Rahmen & Begriffen)
3. Ursprüngliche Verwendung von Asbest und Umgang mit asbesthaltigen Abfällen an den Anfallstellen (Asbesthaltige Produkte gruppiert & strukturiert)
4. Beprobungsregime und Untersuchungsmethoden zur Bestimmung von Asbest (Beschreibung der Erkundung/Messmethoden & Verweise auf technische Regeln wie z.B. VDI 3866, VDIE 6202 Blatt 3, usw.)
5. Bewertung potenziell asbesthaltiger Bau- und Abbruchabfälle (inkl. Einstufungssystematik)
6. Spezielle Regelungen für asbesthaltige Bau- und Abbruchabfälle (Entsorgungskonzept; Thema Recyclinganlagen)
7. Entsorgungswege (viele Einzelthemen wie z.B. Zwischenlagerung; Ablagerung versch. asbesthaltiger Produkte; Abfallannahme, Behandlungsverfahren)
8. Regelungen und Hinweise (aktuelle Regelungen, welche direkt oder indirekt für die abfallrechtliche Bewertung wichtig sind)
Wesentliche & wichtige Inhalte der neuen LAGA M 23
Die wichtigsten Inhalte der Neufassung der LAGA M 23 werden stichpunktartig zusammengefasst (in Klammern ist jeweils der entspr. Abschnitt):
- Klarere Hervorhebung von geogener Belastung & absichtlich zugeführtem Asbest
Natürlich vorkommende mineralische Rohstoffe (man spricht auch von geogener Belastung - z.B. Speckstein oder Basalt) dürfen bis zu einem Asbestmassegehalt von 0,1 M.-% in Verkehr gebracht und wieder recycelt werden, wohingegen Produkte, denen Asbest zur Erzielung der technischen Eigenschaften zugesetzt ist, nicht wieder in Verkehr gebracht und somit nicht recycelt werden dürfen, auch wenn der Asbestmassegehalt unter 0,1 M.-% liegt (vgl. Abschnitt 2.2).
- Gelungene Kategorisierung von unterschiedlichen Bau- und Abbruchabfällen
Im Abschnitt 3.2 wird 1. eine Kategorisierung zwischen separierbaren und unseparierbaren asbesthaltigen Baustoffen unternommen und 2. diese z.T. branchenspezifisch strukturiert und beschrieben (Verkehrswegebau; Schadensfälle & Naturkatastrophen; Bodenmaterial; Geräte & Gerätebauteile) (vgl. Abschnitt 3.2).
- Anlassbezogene Erkundung & klarer Verweis auf die VDI 6202 Blatt 3
Wie in dem Referentenentwurf zur neuen GefStoffV (vgl. oben unseren Fachartikel hierzu), wird auch in der LAGA M 23 der Generalverdacht (Stichwort 31.10.1993) statuiert, wenngleich hier leider noch kein konkreter Verweis auf die noch nicht verabschiedete GefStoffV erfolgen konnte. Interessant im Rahmen der systematischen Beprobung von Gebäuden oder Anlagen auf asbesthaltige Produkte ist der häufige Verweis auf die VDI 6202 Blatt 3 und stellt im Abschnitt 4.3 fest: "Eine Erkundung nach technischen Standards ist die Basis für die ordnungsgemäße Separierung von Schadstoffen."
Die VDI 6202 Blatt 3 ist erst seit September 2021 raus und bekommt spätestens mit dem Verweis der LAGA M 23 eine deutlich gesteigerter Beachtung im Sinne eines Standes der Technik. Es bleibt abzuwarten, ob hier die neue GefStoffV und die damit verbundene Neuauflage der TRGS 519 (kommt direkt im Anschluss!) auf die VDI 6202 Blatt 3 verweist. Spätestens dann wird der "Standarduntersuchungsumfang" der VDI, welcher z.T. zu erheblichen Mehraufwänden im Rahmen der Beprobung führt, wohl das Maß der Dinge (vgl. Abschnitt 4.3 & andere).
- VDI 3876 als Empfehlung der LAGA M 23
Für die Aussage, ob ein Baustoff oder ein Haufwerk von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen als asbestfrei eingestuft werden kann, eignen sich die Untersuchungsverfahren nach VDI 3866 Bl. 5 und VDI 3876. Die Untersuchungsmethoden entsprechen den abfallrechtlichen Vorgaben, nach denen die Beurteilung eines Abfalls nach seinen inhärenten gefährlichen Eigenschaften zu erfolgen hat (worst-case-Betrachtung). Ein weiteres Verfahren zur Asbestuntersuchung ist das in der TRGS 517 genannte IFA-Verfahren 7487.
Im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurde die praktische Anwendbarkeit des Untersuchungsverfahrens nach VDI 3876 auch im Vergleich zu dem IFA-Verfahren 7487 für Recyclingmaterial aus Bauschutt in einem Forschungsprojekt gegenübergestellt und auf Aussagekraft und Validität geprüft. Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass das Verfahren gemäß VDI 3876 insgesamt zur Feststellung von geringen Asbestgehalten in Bauschuttproben gut geeignet ist. Klicken Sie auf die nebenstehende Grafik, um diese zu vergrößern (vgl. Abschnitt 4.6 & andere).
- Einer der wichtigsten Abschnitte der LAGA M 23: Abgrenzung asbestfrei und asbesthaltig für Bau- und Abbruchabfälle
Die Entscheidung, ob ein Baustoff, Bauteil oder Bauwerk mit Blick auf den geplanten Rückbau und die anstehende Entsorgung der Bauabfälle als asbestfrei eingestuft werden kann, kann auf der Basis unterschiedlicher Vorgehensweisen getroffen werden. Nachfolgend sind 4 Fälle aufgeführt, wovon mindestens einer erfüllt sein muss, um eine Asbestfreiheit im Sinne der LAGA M 23 sicherzustellen:
- Der angefallene Abfall bei einer baulichen Maßnahme an einem Gebäude ist asbestfrei, da mit dessen Errichtung nach dem 31.10.1993 begonnen wurde.
- Der angefallene Abfall eines asbestsanierten Gebäudes im Rahmen einer baulichen Maßnahme hat in der Vergangenheit stattgefunden und kein weiterer Asbestverdacht besteht (Nachweis eines Sachverständigen oder einer qualifizierten Person i. S. VDI 6202 Bl. 20 (2017) liegt vor). Für die Feststellung, dass kein weiterer Asbestverdacht besteht, sind die in der Vergangenheit erfolgten Erkundungen und Sanierungsmaßnahmen auf Grundlage des aktuellen Standes der Technik (VDI 6202 Blatt 3) auf deren Belastbarkeit zu beurteilen.
- Vor Beginn der baulichen Maßnahme wurde eine Asbesterkundung gemäß VDI 6202 Bl. 3 (2021) durchgeführt und folglich der Abfall aus rückgebauten Bauteilen ohne Asbestbefund ist oder asbesthaltige Baustoffe an der Anfallstelle des Abfalls nicht vorhanden sind.
- Vor Beginn der baulichen Maßnahme wurde eine Asbesterkundung gemäß VDI 6202 Bl. 3 (2021) durchgeführt und asbesthaltige Baustoffe oder Bauteile selektiv rückgebaut und getrennt erfasst und der angelieferte Abfall enthält keine asbesthaltigen Bauteile oder Baustoffe.
Die LAGA M 23 gibt hier also eine klare Systematik vor und deckt sich mit den Vorgaben der neuen Gefahrstoffverordnung: Sämtliche Baumassen, welche Asbest enthalten könnten und vor Oktober 1993 verbaut worden sind, stehen unter Generalverdacht! Nur eine systematische Beprobung und anschließende Analyse kann diesen Verdacht widerlegen (vgl. Abschnitt 5 & andere).
Im Rahmen der Dokumentation zur Asbestfreiheit gemäß Abschnitt 6.3 sowie Anhang 2 LAGA M 23 werden vorgaben im Anhang 6 gemacht. Hier werden zwar die Inhalte vorgegeben, jedoch leider kein dazugehöriges Formblatt konzipiert.
Die Asbest-Akademie hat hierzu 2 Formblätter erarbeitet:
LAGA_M_23_Formblatt_Anlage_6.docx
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LAGA_M_23_Formblatt_Anlage_6.pdf
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LAGA_M_23_Formblatt_Anlage_6_vereinfacht
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LAGA_M_23_Formblatt_Anlage_6_vereinfacht
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Die neue LAGA M 23 bietet mehr Klarheit im Umgang mit asbesthaltigen Abfällen. Was immer noch fehlt, ist der große Wurf bei der neuen Gefahrstoffverordnung.